Teil 23

Während meiner jüngsten Reise zwischen dem 10.12. und dem 26.12.2005 habe ich mich intensiv mit der Lebenssituation und politischen Lage der Hindus und Sikhs, besonders in Kabul, beschäftigt. Dabei kam mir zu statten, dass ich die Stadt seit beinahe dreißig Jahren gut kenne und – speziell auf diese Thematik bezogen – den direkten Vergleich zwischen der „Blütezeit„ der Hindu-Gemeinden in den 1980er Jahren und ihrer heutigen Lage ziehen kann. Kabul ist eine Stadt, in der traditionell die verschiedenen Ethnien bestimmte Wohnviertel bevorzugen, beispielsweise lebten seit altersher im Westen mehrheitlich afghanische Schiiten. So stellten auch die Hindus und Sikhs in bestimmten Stadtgebieten traditionell die Mehrheit und besaßen dort ihre Tempel und Kultstätten. Viele der materiell gut gestellten Hindus und Sikhs waren Hausbesitzer und betrieben selbstständig größere oder kleinere Firmen oder waren im Handel tätig. Früher fand dort ein reiches kulturelles Leben statt. Die wohlhabenden Gemeinden waren auch in der Lage, eigene Schulen zu betreiben, an denen die junge Generation eine qualifizierte, staatlich anerkannte Ausbildung erhielt.

Um den Hindus und Sikhs ihre Lebensgrundlage zu entziehen, hatten bereits die Mujahedin eine systematische Enteignungspolitik betrieben. Mujahedin-Kommandanten eigneten sich die Firmen, Läden und Privathäuser der Sihks und Hindus an. Seitdem war es ihnen weder unter der Mujahedin-Herrschaft noch seit dem Amtsantritt der Regierung Karsai möglich, ihr Eigentum zurückzuerhalten. Daher leben heute die wenigen Hindus und Sikhs, die in Afghanistan verblieben sind, so gut wie ausschließlich in den ehemaligen Tempelbezirken ihrer Gemeinden. Nur noch in dem Tempel von Kart-e Parwan werden noch religiöse Zeremonien durchgeführt, allerdings möglichst verstohlen, um nicht die Aufmerksamkeit der muslimischen Umgebung auf sich zu ziehen, während noch in der Najibullah-Zeit die religiösen Feste öffentlich und mit großem Prunk begangen wurden.

Über die Enteignungen unmittelbar nach der Machtübernahme der Mujahedin berichteten mir einige alt eingesessene muslimische Händler im Geldbazar „Saray-e Schazdeh„, der einst von Hindus dominiert wurden. Als die Mujahedin kamen, überfielen sie den Geldbasar, trieben Hunderte von Hindus zusammen, schlugen sie und konfiszierten ihre Läden und ihr Eigentum. Ihre Geschäfte wurden von Mujahedin übernommen, die dort heute als Händler sitzen und sich als „Ehrenmänner„ geben und begreifen. Die Hindus haben keinerlei Aussicht, ihren Besitz zurück zu bekommen.

Einige Beispiele sollen belegen, dass – anders, als die Hindus nach dem Amtsantritt der Karsai-Regierung gehofft hatten – auch die heutige Regierung nicht bereit ist, die Enteignungen der Mujahedin- und Taleban-Zeit rückgängig zu machen.


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