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Teil 27

Ein alter Mann von 65 Jahren namens Tirer Singh trat auf mich zu und berichtete, er sei zuvor Ladenbesitzer gewesen und habe ein schönes Haus in diesem Viertel besessen. Doch die Mujahedin hätten seinen Laden in Brand gesetzt und ihm weggenommen. Sein Haus sei geplündert und anschließend von einem Mujahedin-Kommandanten beschlagnahmt worden. Nach dem Amtsantritt der Regierung Karsai habe er versucht, sein Haus zurückzubekommen, doch die Mujahdin hätten ihn derart geschlagen, dass er nie wieder wagen werde, seinen Anspruch anzumelden. Nun lebe er im Tempel, sei arbeitslos und warte nur noch auf den Tod.

Ich setzte meine Recherchen im Bazar-Viertel fort, wo einst die wohlhabende Oberschicht der Hindus ihre Geschäfte machte. Von einst Hunderten von reichen Devisenhändlern ist kein einziger mehr im Saray-e Schazdeh mehr anzutreffen. Im Mandawi-Bazar suchte ich ebenfalls nach Sikhs und Hindus, die dort früher zu Tausenden als Händler vertreten waren. Ich traf lediglich drei Sikhs an, die in winzigen Läden Gewürze verkauften.

Ich besuchte auch das Viertel „Nouwa Bad„ in Kabul. Dort befinden sich ein Tempel und ein ehemaliges Schulgebäude der Hindus, die „Assamai„-Schule. Auch hier das gleiche Bild: Einst gingen hier mehr als 1.000 Kinder zur Schule. Heute ist sie eine Ruine mit einigen Räumen, die noch benutzbar sind, jedoch keine Fenster und Türen mehr haben. Fenster und Eingänge sind mit Plastikplanen verhängt, um die Bewohner notdürftig vor der Kälte zu schützen. Hier leben etwa 10 Hindu- und Sikh-Familien. Die Lebensverhältnisse entsprechen denen aus anderen Tempeln, die ich oben referiert habe: Armut, Elend und das Fehlen jeglicher Hilfe durch die Regierung oder Hilfsorganisationen. Fast alle Männer sind arbeitslos oder Gelegenheitsarbeiter. Die Kinder vegetieren verwahrlost auf dem Hof. Ebenfalls auf dem Hof befindet sich
– für ca. 60 Personen - eine einzige Toilette mit Badegelegenheit, die sich in einem unbeschreiblichen Zustand befindet und eine Quelle von Krankheiten ist.

Weder der Staat noch ausländische Hilfsorganisationen gewähren den Hindus und Skihs die geringste Unterstützung. Die Tempel versuchen ihre Gemeindemitglieder, durch Mittel aus Almosen zu unterstützen, doch diese sind sehr gering und retten die Bewohner kaum vor dem Verhungern. Offensichtlich ist es die Politik der afghanischen Regierung, das Problem zu ignorieren und darauf zu warten, dass sich die Hindu-Frage sozusagen auf „demographische„ Weise von selbst löst, indem die Mischung aus offiziellem Ignorieren, gesellschaftlicher Diskriminierung und kultureller und religiöser Unterdrückung die Hindus zwingt, sich entweder vollkommen anzupassen oder das Land zu verlassen. Wenn diese Entwicklung nicht gestoppt wird, ist wahrscheinlich, dass die Hindus als eigenständige Minderheit in Afghanistan innerhalb weniger Jahre ausgelöscht sein werden.

Allgemein kann man sagen, dass in den Provinzen, wo Regionalherrscher und Kriegsfürsten das Sagen haben, die Lage noch schlimmer als in Kabul ist, so dass sich eine Abschiebung dorthin erst recht verbietet.