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Teil 5

Geschichte der Hindus und Sikhs in Afghanistan

Historisch sind in Afghanistan nach den Muslimen die Hindus die größte Glaubensgemeinschaft. Hindus leben seit Jahrhunderten auf dem Gebiet des heutigen Afghanistan. Viele Quellen nennen für die Zeit vor 1992, d.h. vor der Machtübernahme der islamitischen Mujaheddin und dem Beginn der Diskriminierung und der Menschenrechtsverletzungen gegen Hindus und Sikhs, von 130.000 bis 200.000 Personen. Zur Zeit des letzten „kommunistischen„ Präsidenten Najibullah waren es allein in Kabul über 100.000. Offiziellen Angaben zufolge lebten damals in Afghanistan 98 % Muslime und 2 % Hindus und Sikhs. Wenn man davon ausgeht, dass unter Najibullah laut UN-Angaben Afghanistan eine Bevölkerung von 20 bis 22 Millionen hatte, wären dies allerdings weit mehr gewesen, nämlich ca. 400.000. Wie immer in einem Land, in dem es auch zu seinen besten Zeiten weder Volkszählung noch Meldepflicht gab, bleiben die Zahlen also unklar. Ebenso klar ist jedoch, dass heute nur noch ein verschwindend geringer Teil dieser damals bedeutenden Minderheit im Lande verblieben ist.

Die Hindus hatten traditionell in der afghanischen Gesellschaft, die tief islamisch geprägt ist, mit Diskriminierung wegen ihrer religiösen Zugehörigkeit zu rechnen. Der Islam, der nur das Christentum und das Judentum als weitere „Buchreligionen„ anerkennt, betrachtet die Hindus als „Götzendiener„ und „Gottlose„. De facto jedoch spielten die Hindus eine zentrale Rolle in der Gesellschaft, da sie eine beherrschende Stellung in der Finanzwelt einnahmen. Zu dieser Stellung konnten sie gelangen, da es im Islam untersagt ist, Geld gegen Zinsen zu verleihen. So konnten die Hindus in dem Maße, in dem sich die afghanische Gesellschaft modernisierte, großen Einfluss im Finanz- und Bankenwesen gewinnen – eine Stellung ähnlich der der Juden in europäischen Gesellschaften der frühen Neuzeit. Zudem waren sie sehr „einträgliche„ Staatsbürger, da historisch in islamischen Gemeinwesen die Nicht-Muslime eine Sondersteuer zu zahlen hatten. Selbst unter Zahir Schah war das noch der Fall. So waren die wohlhabenden Hindus und Sikhs eine willkommene Finanzquelle des afghanischen Staates.

Ihre „Blütezeit„ erlebten die Hindus nach dem Umsturz von 1978. Da sich die „Kommunisten„ die Gleichberechtigung der nationalen und religiösen Minderheiten auf die Fahnen geschrieben hatten, war es den Hindus und Sikhs nun möglich, ihren Einfluss in der Finanzwelt auszubauen und darüber hinaus ihre soziale und gesellschaftliche Stellung zu verbessern. Bei meinen zahlreichen Reisen nach Afghanistan habe ich in Kabul zwischen 1978 und 1992 Tausende Hindus gesehen, die in der Finanzwelt, der Wirtschaft und in der Verwaltung bis hinauf ins ZK der DVPA vertreten waren. Insbesondere in der Finanzwelt nahmen sie eine hervorragende Stellung ein und kontrollierten praktisch das gesamte Finanzwesen. Das Hauptfinanzzentrum Afghanistans war damals das „Saray-e Schazdah„ am Kabul-Fluss in der Stadtmitte, ein dreistöckiges Gebäude mit Innenhof, wo täglich Tausende Händler mit Devisen handelten, praktisch das finanzielle Herz des Landes. Hier waren unter Najibullah Hunderte von Sikhs und Hindus als Devisenhändler tätig und kontrollierten praktisch den gesamten Devisenmarkt Afghanistans. In den umliegenden Bazarvierteln sah ich im Laufe dieser Zeit Tausende von Hindus und Sikhs, die dort Läden betrieben und mit Stoffen, Gewürzen und Lebensmitteln handelten. Der gesamte Stoffbazar war in ihren Händen. Viele handelten auch mit Schmuck und Goldwaren. Ich gehe davon aus, dass die Zahl von 100.000 Hindus und Sikhs, die zur Najibullah-Zeit noch in Kabul gelebt haben sollen, korrekt ist. Nach meinem eigenen Eindruck waren es jedoch noch weit mehr.